Nervensystem regulieren und beruhigen: 3 einfache Übungen für innere Balance und nachhaltiges Wohlbefinden
- Was ist das Nervensystem – und wie funktioniert es?
- Der Vagusnerv – der Vermittler, um dein Nervensystem zu regulieren und zu beruhigen
- Anzeichen dafür, dass dein Nervensystem aus dem Gleichgewicht geraten ist
- Übungen zur Regulation und Beruhigung deines Nervensystems
- Fallbeispiel: Wie Julia innerhalb von 4 Wochen aus dem Überlebensmodus in die Ausgeglichenheit kam
- Fazit: Dein Nervensystem zu regulieren ist ein Schlüssel zu mehr Lebensqualität
In unserer hektischen Welt ist Stress für viele ein ständiger Begleiter. Ob durch Arbeit, soziale Verpflichtungen oder persönliche Herausforderungen – unser Nervensystem ist oft überlastet und gerät aus dem Gleichgewicht. Doch wusstest du, dass du selbst die Fähigkeit hast, dein Nervensystem aktiv zu regulieren? Dieser Blogartikel erklärt dir, wie das funktioniert und wie du es in dein tägliches Leben integrieren kannst, um mehr innere Ruhe zu finden.
Was ist das Nervensystem – und wie funktioniert es?
Das Nervensystem ist sozusagen das Kontrollzentrum deines Körpers. Es besteht aus dem zentralen Nervensystem (ZNS) und dem peripheren Nervensystem (PNS). Das ZNS umfasst Gehirn und Rückenmark, während das PNS alle Nerven umfasst, die vom ZNS ausgehen und Signale in den gesamten Körper senden. Diese beiden Systeme arbeiten zusammen, um unsere körperlichen und emotionalen Reaktionen auf äußere Reize zu koordinieren.
Im Rahmen des peripheren Nervensystems gibt es zwei Hauptakteure, die sich als Gegenspieler zueinander verhalten: den Sympathikus und den Parasympathikus.
- Der Sympathikus ist dafür verantwortlich, uns in Alarmbereitschaft zu versetzen – den sogenannten „Fight-or-Flight“-Modus. Wenn wir unter Druck stehen, etwa bei Gefahr oder in stressigen Situationen, aktiviert sich der Sympathikus. Er erhöht den Herzschlag, schickt mehr Blut in die Muskeln und macht uns bereit, zu kämpfen oder zu fliehen.
- Der Parasympathikus ist das Gegenstück dazu. Er wird auch als „Rest-and-Digest“-System bezeichnet und sorgt dafür, dass wir uns entspannen und erholen können. Durch ihn verlangsamt sich der Herzschlag, die Verdauung wird gefördert und der Körper kann regenerieren.
Diese beiden Systeme sind kontinuierlich aktiv, jedoch kommt es in unserem stressigen Alltag immer häufiger dazu, dass der Parasympathikus zu lange aktiv bleibt – etwa durch chronischen Stress – und so kein Gleichgewicht mehr zwischen den beiden Systemen herrscht. Dein Körper verharrt im Überlebensmodus, was sich nicht nur für uns unangenehm anfühlt, sondern auch langfristig zu gesundheitlichen Problemen führen kann.
Der Vagusnerv – der Vermittler, um dein Nervensystem zu regulieren und zu beruhigen
Eine besondere Rolle bei der Regulation deines Nervensystems spielt der Vagusnerv. Er ist der längste Nerv des Parasympathikus (also des für die Entspannung zuständigen Systems) und verbindet Gehirn, Herz, Lunge und Verdauungssystem. Durch ihn werden beruhigende Signale im Körper gesendet, die dir helfen, dich zu entspannen, dich wohlzufühlen und Stress abzubauen. Dies kommt auch ganz erheblich deinem Immunsystem zugute!
Studien zeigen, dass eine gute Vagusnerv-Aktivierung dazu führt, dass wir uns schneller von Stress erholen. Ein aktiver Vagusnerv kann uns helfen, aus dem Überlebensmodus herauszukommen und in einen Zustand der Ruhe und Sicherheit zurückzukehren. Tatsächlich ist es für unseren Körper unmöglich, in Panik oder Stress zu sein, wenn Parasympathikus oder Vagusnerv aktiv sind. Du könntest es, vereinfacht, wie eine Art Entspannungsschalter deines Nervensystems betrachten.
Der Vagusnerv lässt sich tatsächlich auch ertasten und so auch aktivieren, beispielsweise durch Massagen – wie genau du an ihn kommst und welche Übungen sich besonders gut eignen, erfährst du weiter unten.
Anzeichen dafür, dass dein Nervensystem aus dem Gleichgewicht geraten ist
Viele Menschen erkennen leider oft gar nicht, dass sie im Überlebensmodus stecken, bis die Anzeichen immer offensichtlicher werden und schließlich nicht mehr zu überhören sind. Hier sind einige Hinweise darauf, dass dein Nervensystem Unterstützung braucht:
- Du fühlst dich oft nervös, rastlos, überfordert oder gestresst.
- Deine Gedanken rasen, und du hast Schwierigkeiten, abzuschalten und dich zu erholen.
- Körperliche Symptome wie Verdauungsprobleme, Kopfschmerzen oder Schlafstörungen treten häufiger auf.
- Du fühlst dich oft „auf der Flucht“ oder hast das Gefühl, immer „in Alarmbereitschaft“ zu sein.
- Du kannst dich nicht mehr daran erinnern, wann du das letzte Mal so richtig schön tiefenentspannt warst.
Übungen zur Regulation und Beruhigung deines Nervensystems
Die gute Nachricht ist: Du kannst selbstständig Veränderungen an deinem Verhalten herbeiführen, die dein Nervensystem wieder ins Gleichgewicht bringen. Hier sind drei Übungen, die du einfach in deinen Alltag integrieren kannst:
Vagusnerv Stimulation
Es gibt verschiedene Arten, den Vagusnerv zu stimulieren, und einige Kulturen machen sich diese Tatsache auch schon länger zunutze. Schon mal etwas von chanting gehört? Wer von euch regelmäßig meditiert, Yoga macht oder Berührungspunkte mit anderen Formen buddhistischer Traditionen hat, wird es kennen. Chanting ist das Singen spiritueller oder religiöser Lieder, und soll den Nebeneffekt haben, in einen meditativen, entspannenden Zustand zu kommen. Da ist durchaus etwas dran: Der Vagusnerv verläuft unter Anderem an den Stimmbändern und der Speiseröhre entlang, und somit wirkt sich singen tatsächlich beruhigend auf unser Nervensystem aus. Auch das Schlaflied-vorsingen wirkt also nicht nur auf den Zuhörer.
Doch auch für diejenigen unter euch, die Singen nichts abgewinnen können, gibt es Möglichkeiten, den Vagusnerv zu aktivieren:
– Atemtechniken: Vielleicht geht es dir wie mir früher und auch du konntest bisher nicht allzu viel mit Atemübungen anfangen. Fakt ist: Sie funktionieren, wenn du dich darauf einlässt, auch wenn du dir anfangs dabei vielleicht noch blöd vorkommen magst, und das ist physiologisch bedingt und somit nicht von der Hand zu weisen. Es gibt eine Vielzahl von Atemtechniken, daher beschränke ich mich auf die, die bei den meisten gute Ergebnisse erzielen:
1.) Die Doppelatmung: Babys wenden sie ganz von selbst an, wir haben sie leider in der Regel verlernt. Die Doppelatmung! Du hast sicherlich schon mal ein Baby weinen sehen, oder? Es ist dir wahrscheinlich nie bewusst aufgefallen, aber Babys holen beim weinen immer zwei Mal hintereinander tief Luft. Das wirkt dann wie eine Art schluchzen – ist aber hocheffektiv. Es wirkt entspannend und beruhigend auf unser System und genau deshalb wenden es die kleinen Lebewesen an. Wir können auch hier also noch etwas lernen von ihnen! Versuch einmal, die Doppelatmung anzuwenden: Atme ein und atme dann während des Einatmens nochmals ein, diesmal tiefer. Du wirst spüren, wie sich dein Brustkorb stark hebt und senkt und du dich irgendwie direkt ausgeglichener fühlst.
2.) Boxed-breathing: Das Wichtige beim boxed breathing ist es, dass der Atemrhythmus gleichmäßig abläuft. Du kannst hierfür einen 4er Rhythmus nehmen, d.h. 4 Sekunden einatmen, dann 4 Sekunden die Luft halten, dann 4 Sekunden ausatmen. Was ich persönlich als noch angenehmer empfinde ist, die Luft doppelt so lange ausströmen zu lassen wie einzuatmen. Das führt zu einer ganz bewussten, verlangsamten Ausatmung, die die Sinne schärft und mehr entspannt. Wichtig ist jedoch auch hierbei, dass du dann immer 4 Sekunden einatmest, 4 Sekunden die Luft hältst und 8 Sekunden ausatmest.
– Massage im Nackenbereich: Der Vagusnerv verläuft im Nackenbereich. Du kannst das nutzen, indem du immer mal wieder inne hältst, ein paar tiefe Atemzüge nimmst und den mittleren und äußeren Bereich deines Nackens sanft massierst. Manche empfinden es auch als sehr angenehm, den Bereich hinter den Ohren mit einzubeziehen. Versuche hierbei so bewusst auf die Empfindungen zu achten wie nur möglich und tue nichts anderes dabei. Wenn es dir hilft, die Augen zu schließen, kannst du das gerne tun. Vor allem bei Bildschirmarbeit im Home Office eine super Möglichkeit – im Idealfall stellst du dir jede Stunde einen kleinen Wecker und gönnst dir und deinem Vagusnerv ein paar Minuten Entspannung in dieser Form.
Meditation und Achtsamkeit
Auch diesmal sind Meditation und Achtsamkeit mit von der Partie: Beide sind bestens dazu geeignet, unser Nervensystem zu regulieren. Wieso – und wie genau funktioniert das? Sobald wir Achtsamkeit und Meditation in unseren Alltag integrieren, sie also regelmäßiger Bestandteil davon werden, passieren folgende für unser Nervensystem relevante Dinge:
- Wir erhalten eine gesunde Distanz zu den ganzen Gedanken und Ereignissen, die uns stressen, und zwischen denen wir hin und her hetzen. Dies ermöglicht uns zu bemerken, dass in den allermeisten Fällen gar keine wirkliche Gefahr herrscht, sondern wir uns oftmals übermäßig stark davon „konsumieren“ und steuern lassen. In dem Moment, in dem wir die Einsicht erhalten, dass keine wirkliche Gefahr herrscht, kann unser Nervensystem endlich wieder entspannen.
- Durch das nicht-bewertende Wahrnehmen, welches Teil von Meditation und Achtsamkeit ist, können wir lernen, es oftmals erst gar nicht so weit kommen zu lassen, dass wir uns von Gedanken oder Ereignissen in einen Notfallmodus versetzen lassen. Wir nehmen die Gedanken wahr, aber sie lösen nicht mehr dieselben starken körperlichen, unangenehmen Reaktionen aus.
Progressive Muskelentspannung
Diese klassische und sehr effektive Übung hilft, den Spannungszustand in den Muskeln zu lösen und dem Nervensystem ein Signal der Entspannung zu geben. Spanne hierfür nacheinander, Schritt für Schritt, einzelne Muskelgruppen an (z. B. Hände, Arme, Schultern, Stirn in Falten legen), halte diese Spannung dann immer für einige Sekunden (mindestens 7!) und lasse dann bewusst los. Spüre anschließend ganz genau in dich und die Muskeln hinein – was sich verändert hat und wie sich dein Körper nach und nach entspannt.
Es gibt noch unzählige weitere Methoden, wie du dein Nervensystem „herunterfahren“ kannst – was am Besten funktioniert ist oftmals eine sehr individuelle Sache, durch die man sich durchtesten muss.
Fallbeispiel: Wie Julia innerhalb von 4 Wochen aus dem Überlebensmodus in die Ausgeglichenheit kam
Gerne möchte ich hier die Geschichte meiner ehemaligen Trainee Julia erzählen. Sie kam zur mir, weil sie sich ständig überfordert fühlte, und das Gefühl hatte, „nie abschalten zu können“. Ihr Alltag bestand für sie nur mehr aus Verpflichtungen und Terminen und sie hatte Probleme, durchzuschlafen. Sie beklagte immer häufigeres Herzrasen, aber beim Arzt hatte man nichts feststellen können. Sie fühlte sich nicht unterstützt von ihrem Körper, sondern vielmehr sabotiert – er machte nicht mehr das, was er sollte: Einfach funktionieren.
Ich war ehrlich zu Julia und sagte ihr, dass sie, wenn sie an ihrem Lebenswandel nichts ändern würde, ein erhöhtes Burnout-Risiko hätte. Ich klärte sie genau über die Zusammenhänge zwischen ihren Gedanken, ihrem Körper und ihrem Nervensystem auf und brachte ihr Methoden bei, die ihr halfen, sich wieder zu entspannen. Julia war sehr engagiert und nachdem sie täglich die geübten Methoden anwandte, war sie nach 4 Wochen ein anderer Mensch. Sie hatte zuvor einfach nie gelernt, ihren Körper zu steuern und war sich nie im Klaren gewesen, wie immens wichtig es ist, Ruhepausen – und somit Balance – zu priorisieren.
Fazit: Dein Nervensystem zu regulieren ist ein Schlüssel zu mehr Lebensqualität
Die Regulation deines Nervensystems ist kein Luxus, sondern eine grundlegende Voraussetzung für ein gesundes und erfülltes Leben. Indem du verstehst, wie dein Nervensystem funktioniert, und gezielt Techniken zur Entspannung anwendest, kannst du aus dem Überlebensmodus ausbrechen und ein tieferes Gefühl von Ruhe und Sicherheit in deinem Alltag etablieren.
Wenn du noch Probleme damit hast, die Techniken nachhaltig in deinen Alltag zu integrieren, oder sonstige Unklarheiten bzgl. der Arbeit mit deinem Nervensystem hast, können wir gern gemeinsam für dich passende Strategien erarbeiten – buche dafür einfach einen Termin bei mir.